Sonntag, 9. Oktober 2011

Ende gut - 4-1.

Über weite Strecken überzeugend spielte das Team in Aserbaidschan – am Tag der multiplen Comebacks. Die auffälligste Leistung erbrachte ausgerechnet der von Constantini jahrelang geschmähte Andreas Ivanschitz, der das erste Tor selbst erzielte, und dem in den letzten Spielen umstrittenen Marc Janko bei seinem Doppelpack assistierte. Ivanschitz spielte, Janko traf, Österreich gewann auswärts, Teamchef Ruttensteiner – vier Comebacks an einem Tag. Kein unerfreulicher Tag für den ÖFB. Bei einem hohen Auswärtssieg wie diesem kann man gerne darüber hinwegsehen, dass in der ersten Hälfte - bis zum Platzverweis von Junisoglu wegen Vereitelung einer Torchance - nicht viel ging.

In der auf das Match folgende stundenlangen Diskussion auf ORF Sport + erkannte Roman Mählich folgerichtig, dass es spätestens beim Assist von Ivanschitz Constantini „aus seinem Fernsehsessel gehaut haben muss“. Überhaupt schien Roman Mählich als einer der wenigen in dieser illustren Runde noch bei Trost gewesen zu sein. Denn er als einziger äußerte sich überwiegend positiv über Marcel Kollers Verpflichtung – während Prohaska gleich einwarf, es sei nichts desto trotz besser gewesen, jemanden mit mehr Know-How über den österreichischen Fußball, mit mehr Kenntnissen über die Strukturen des ÖFB zu holen.

Darin erkenne ich einen Widerspruch. Denn um den österreichischen Fußball endlich zum Erfolg zu führen, müssen zweifellos alle bisher bestehenden Strukturen hinterfragt und verändert werden. Frage – wer schafft das besser: jemand, der in denselben seit Jahren verwickelt ist oder ein Außenstehender, mit Erfahrung in anderen Ländern und Ligen? Prohaskas Verhalten lässt vermuten, dass er den Status Quo um jeden Preis beibehalten möchte.

Frenkie Schinkels befürchtet, bei Marcel Koller handelt es sich am Ende um einen Ja-Sager, der alle Entscheidungen der Chefetage willenlos befolgt. Doch wer tendiert mehr zum Ja-sagen – ein seit Jahren im System verwickelter Mitarbeiter oder ein von außen geholter Mann, dessen Mission es ist, das Team wieder zum Erfolg zu führen? Ricardo Moniz meinte sofort, dass Schinkels in dieser Hinsicht keine Angst haben müsse.

Ivanschitz konnte sich nach dem Spiel einen Seitenhieb auf Constantini nicht verkneifen – wieso sollte er auch. Er lobte Sportdirektor und Interimsteamchef wegen seiner Arbeit, er habe in den wenigen Tagen System in die Mannschaft gebracht und viele Spieler wachgerüttelt. Auch wenn er sonst nicht viel sagen könne, weil er ja vorher nicht dabei gewesen sei. Ruttensteiner – auch er feierte ein Comeback. Bereits nach dem vorzeitigem Ende der Ära Krankl durfte er – gemeinsam mit Andreas Herzog und Franz Wohlfahrt – das Team für die letzten beiden Spiele der WM Qualifikation 2006 gegen England und Nordirland coachen. Das Team spielte damals in England, im Old Trafford in Manchester nicht schlecht, verlor knapp 0-1; gegen Nordirland gelang ein 2-0 Sieg. Ruttensteiner, ein Feuerwehrmann für Übergangszeiten, machte seine Sache nicht schlecht, ebenso wenig wie jetzt.

Aber zurück zur Diskussionsrunde im ORF. Fast drei Stunden unterhielten sich die illustren ORF – Experten: Werner Gregoritsch, der weit ausschweifende und etwas verworrene Ansprachen hielt, die immer wieder in der Aussage „in Österreich gibt es gute Trainer“ gipfelte.

Prohaska, der Werbung für Andi Ogris und Stimmung gegen Ruttensteiner machte, weil er Ogris keinen Job im ÖFB gegeben hatte – obwohl er doch die höchste Ausbildung und Trainerlizenz hat und jeder Zeit Real Madrid oder Barcelona trainieren könnte. Wenn man ihn nur ließe!

Toni Polster, der zu spät und offenbar angetrunken erschien, und nur erzählte, dass die Leute in der Kantine des SC Wiener Viktoria furchtbar enttäuscht von der Teamchefwahl sind, und er selbst die Entscheidung auch nicht nachvollziehen konnte.

Frenkie Schinkels und Ricardo Moniz schienen die meiste Zeit am Thema vorbei zu reden. Schinkels hielt einen Vortrag, dass in Österreich „Fußball nicht gespielt“ werde sondern viel zu viel Wert auf „Leichtathletik“ gelegt werde. Die körperliche Fitness sei überbewertet, wenn die Arbeit am Ball nicht ordentlich funktioniert. Interessanter Standpunkt, bei dem ich mir vorstellen würde, wie erfolgreich ein Team mit 11 Arnautovics wäre. Vermutlich cool anzusehen, aber wenig erfolgreich.

2005, als Herzog mit Ruttensteiner und Wohlfahrt für zwei Spiele Teamchef sein durfte, brachte er eine interessante Idee ein, basierend auf seinen Erfahrungen in den USA: dort besteht der Trainerstab aus einem Headcoach, einem Trainer für die Defensive und einem für die Offensive. Herzog meinte damals, dass ein ehemaliger Spieler wie Polster den aktuellen Stürmern bessere Tipps geben könne als er selbst als ehemaliger Mittelfeldspieler.

Interessante, auch logische Idee – wenn man bedenkt, dass der ehemalige Trainerstab ausschließlich aus ehemaligen Defensivspielern bestand, könnte man auch einen Zusammenhang mit der Stürmerkrise im ÖFB herstellen, allerdings wäre das zu spekulativ. Trotzdem kann man auf den zukünftigen Trainerstab von Marcel Koller gespannt sein. Und auch, welche Rolle Ruttensteiner, von vielen völlig verkannt (diese Alliteration muss man sich live geben) spielen wird – nach den letzten Ereignissen bleibt zu hoffen, dass er nicht zu sehr in der zweiten Reihe verschwindet und seine Zusammenarbeit mit Koller eine erfolgreiche sein wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen