Dienstag, 16. Juni 2015

Jurassic World

Jurassic Park ist einer meiner all-time-Lieblingsfilme. Und nicht nur als Kind, 1993 war ich zarte 6 Jahre alt, das erste Mal habe ich ihn mit 9 oder 10 gesehen, sondern immer noch. Todtraurig war ich, als vorletztes Jahr Österreich beim weltweiten 3D-Re-Release von Jurassic Park ignoriert wurde, weil es für mich die einzige Chance gewesen wäre, den Film einmal auf der großen Leinwand zu sehen. Insofern war mein Verhältnis zum neuen Film "Jurassic World" von Colin Treverrow von Anfang an etwas schwierig.

Erstens sind sämtliche Sequel-Versuche bisher kläglich gescheitert. "Lost World" fand ich bereits als Dino-begeistertes Kind unglaublich schlecht, "Jurassic Park 3" zwar eine Spur besser, aber für mich eher eine qualitativ bessere Direct-to-DVD oder Fernsehproduktion. Wie dumm bitte war "Lost World"? Alleine die Szene, wo sie im Trailer hängen, der gerade vom T-Rex über die Klippe geschubst wurde, und dann witzeln sie dumm herum, aber so viel will ich gar nicht mehr über den Film nachdenken.

Jetzt also Jurassic World, und nach den Enttäuschungen war die Gefahr natürlich durchaus gegeben, dass der Film der nächste Tiefpunkt wird. Vor allem, weil die Anzeichen alles andere als vielversprechend waren. Chaotische Verhältnisse um was-weiß-ich-wie-viele Drehbuchautoren, erinnerte mich an "World War Z", der ja eine einzige Enttäuschung war, vor allem, wenn man das geniale Buch gelesen hat. Ein für viele oberflächliche Filmfreunde, wie ich einer bin, eher unbekannter Regisseur. Und Chris Pratt als Protagonist war mir bis dato ebenfalls unbekannt. Und, ganz furchtbar, schon wieder Kinderdarsteller. Ich weiß, das klingt jetzt sicher super kinderfeindlich, aber Kinder sind in Blockbustern meistens der Tiefpunkt. Ganz entsetzlich war Ian Malcolms Tochter in "Lost World", Lex und Tim aus "Jurassic Park" sind mir auch mehr auf die Nerven gegangen, vor allem, weil sie Tim in einer Szene dumm und nutzlos erscheinen lassen, als Alan und Ellie im Kontrollraum damit kämpfen, die Türe vor dem Raptor zuzuhalten und es nicht schaffen, die Waffe, die am Boden liegt, zu erreichen, Lex ist damit beschäftigt ist, das Computersystem wieder anzuwerfen, und Tim steht einfach nur daneben, hüpft blöd herum und ist nervös, JETZT GIB IHNEN DOCH DIE VERDAMMTE WAFFE oder mach einfach irgendwas! Naja, das ist so mein Problem mit Kindern in Blockbustern, sie verhalten sich teilweise extrem dämlich und dann dürfen sie nicht einmal sterben. Auch nicht, wenn sie zu dumm sind, über einen Zaun zu klettern und 10.000 Volt abbekommen. Sam Jackson durfte nicht einmal zum Sicherungskasten, ohne von Raptoren gefressen zu werden.

Aber dann, Jurassic World. Colin Trevorrow inszinierte einen wirklich guten Sommerblockbuster und bettete die Geschichte in einem in sich schlüssigen Universum ein, in dem Jurassic Park stattgefunden hat. Er machte dabei auch das einzig Richtige: Ignorieren wir die furchtbaren Sequels, lassen wir genug Zeit vergehen und bauen wir alles neu auf. Er erzählt die Geschichte, dass nach dem Unglück im Jurassic Park vor über 20 Jahren alles neu aufgebaut wurde - größer, besser, sicherer. Man hat außerdem aus den Fehlern gelernt! Erinnert ihr euch noch, dass der T-Rex bei der Probe damals nicht kommen wollte, als man ihm die Ziege vorgesetzt hat? Jetzt liegt ein bengalisches Feuer, eine Leuchtfackel daneben (schöne Referenz zu einer der besten Szenen der Filmgeschichte, die mit dem T-Rex und den Autos) und der T-Rex kommt sofort. Der alte Jurassic Park, das alte Besuchergelände, das wir von früher kennen, liegt auf der Insel in einer Art Sperrgebiet. Alles neu, alles gut. Trotzdem ist sich Trevorrow des Erbes bewusst - und wird auch nicht müde, auf den großartigen Originalfilm anzuspielen. Hier ist ein Video mit allen "Jurassic Park" Referenzen in "Jurassic World".

Über die Handlung ist hinlänglich sowieso alles bekannt - kapitalistisch, wie unsere Welt ist, muss man für immer bessere Attraktionen sorgen, damit man die Besucher ins Kino, ich meine, den Park kommen. "Dinosaurier alleine funktionieren nicht mehr", heißt es im Film. Also züchten sie einen Hybriden, ein wahres Monster. Der kann sich leider supertoll tarnen und aus dem Gehege ausbrechen, und schon geht das Spaß los.

Währenddessen bekommt die stereotypische Karrierefrau, Managerin oder so von Jurassic World namens Claire, Besuch von ihren Neffen. Dabei interessiert sie sich doch gar nicht für Kinder, weiß auch gar nicht, wie alt sie sind und hat auch gar keine Zeit für sie. Typische böse Karrierefrau, wie kann man bloß seine Karriere über Kinder stellen, und das noch als Frau! Stattdessen werden die Kinder an die englische Assistentin abgeschoben, die auch wenig Interesse an den Kindern hat. Allgemein scheint in diesem Film niemand großes Interesse an den Kindern zu haben, und wie ich vorher auch schon dargestellt habe, hab ich auch kein großes Interesse an weiteren austauschbaren Kinderdarstellern in einem Blockbuster. Interessanterweise haben zunächst auch die Kinder kein großes Interesse aneinander, der ungefähr 16jährige interessiert sich für Mädchen, und sein kleiner Bruder, der offenbar leicht authistisch ist oder einfach einen Zahlenfetisch hat, interessiert sich für die Dinosaurier. Und Zahlen. Als die Situation natürlich beginnt, sich einzutrüben in Jurassic World, halten die Brüder aber zusammen und unterstützen einander - und dieser Handlungsbogen war nicht nur schlüssig, sondern auch wirklich gut gemacht. Es war nett anzusehen, wie der große Bruder die Beschützerrolle annimmt, und das ganze kommt ganz ohne peinliche Dialoge wie "Vegitariosaurus! Vegitariosaurus!" - "Vegitariosaurus?" aus, wie in Jurassic Park. Es war authentisch, und einfach gut gemacht. Der Kleine ist verzweifelt, weil er checkt, dass die Eltern sich scheiden lassen, und der Große versucht ihn aufzumuntern, das war einfach nett. Dass sein Aufmunterungsversuch die beiden in große Gefahr bringt, ist eine andere Sache.  Ich persönlich war zum ersten Mal nicht ausschließlich genervt von Kindern auf der großen Leinwand, und das ist echt ein sehr angenehmer Fortschritt.Außerdem sind ein paar Szenen mit den Kindern wirklich witzig, und nicht peinlich-witzig, sondern lustig-gut-witig. "Witty", wie es der Amerikaner sagt. Originell, geistreich.

Und wie gesagt, dunkle Wolken ziehen auf in Jurassic World, als der Killerdinohybride ("Indominus Rex") zuerst das eilig geschickte Sicherheitsteam ausschaltet, dann die Kinder, die gerade mit einem Glasgyroskop unterwegs sind, attackiert - die entkommen gottseidank, und gottseidank ist hier wirklich ernst gemeint - dann andere Dinos tötet - wo dann auch die mitterlweile mit Chris Pratt auf der Suche nach den Neffen befindliche kalte und kinderunfreundliche Karriere- Claire draufkommt, dass die Dinosaurier Lebewesen sind und keine Objekte, und in einer Verkettung von Sebstüberschätzung, Inkompetenz und schlechtem Krisenmanagement werden dann noch beißwütige Flugsaurier freigelassen und attackieren die Besucher von Jurassic World. Na da gehts dann natürlich ordentlich zur Sache. Der Antagonist, gespielt von Vincent D'Onofrio, sie kennen ihn vielleicht noch aus "Full Metal Jacket", als er die Fliesenwand mit seinem Gehirn tapezierte, möchte die Raptoren, mit denen Chris Pratt gearbeitet hat, als Waffe gegen den Amokdino einsetzen. Dem gefällt das natürlich überhaupt nicht, auch, weil er offenbar als einziger bisher die Raporen als unkontrollierbare Lebewesen einschätzt. aber er fügt sich dann doch und sie lassen die Raptoren frei. Das war bisher in keinem der Jurassic Park Filme eine gute Idee, aber was solls. Und sie machen sich auf die Jagd nach dem Riesending, und sie finden es, Chris Pratt, vier Raptoren und ein Team von schwer bewaffneten Söldnern, und große Überraschung, das Riesending kann mit den Raptoren kommunizieren und sie akzeptieren ihn quasi als neuen Alpha. Das sind natürlich ganz schlechte Nachrichten für alle, wie sie da mit gezogenen Waffen im Wald stehen, weil wenn sich heute ein Raptor gegen dich wendet, sind deine Chancen jetzt nicht so super. Gefecht, eilige Evakuierung, alle stürmen zurück ins Labor, wo Vincent D'Onofrio vom Raptor zunächst in die Hand gebissen wird (would you bite the hand that feeds?) und am Ende entscheiden sich die Raptoren dann doch, auf der Seite von Herrl Chris Pratt zu sein und wenden sich gegen den Indominus Rex, den Killerhybriden. Weil das aber nicht ausreicht, befreien sie noch den T-Rex. Und den Todesstoß gibt ihnen dann der coole Wasserdino ausm Trailer, der den Hai frisst. Ende! Wunderbar.

Wie gesagt, ein sehr unterhaltsamer Sommerblockbuster, gut gemacht, tolle special effects, aber auch gute Leistung der SchauspielerInnen. Ja, natürlich sind die Charaktere teilweise etwas eindimensional und stereotypisch, ja natürlich stellt sich prinzipiell die Sinnhaftigkeit nach einem Freizeitpark mit blutrünstigen Dinosauriern. Aber - wie gesagt - in sich geschlossen in der Realität von Jurassic Park funktioniert Jurassic World wirklich gut. Dass der Laborchef aus Jurassic Park, Henry Wu, diesmal eine größere Rolle hatte, fand ich großartig, hier wird direkt an die Geschichte des ersten Films angeschlossen - und eine sehr schlüssige Rahmenhandlung, die zwischen den beiden Filmen stattfindet, ist ebenfalls etabliert.

Negativ empfand ich einzig und allein teilweise etwas fehlende Dramatik von einer filmmacherischen Perspektive. Teilweise tauchte dieser Indominus Rex auf, ohne, dass hier die Spannung aufgebaut wurde, das fand ich schade. Zitternde Wassergläser wie in Spielbergs Jurassic Park kann man hier nicht erwarten.  Auch, wie die Raptoren am Ende unvermittelt einfach im Labor auftauchen. Und dann, Chris Pratt kann offenbar am Anfang mit ihnen kommunizieren und hat einen Draht zu ihnen, das wurde etabliert. Dann wechseln sie die Seiten, weil Indominus Rex offenbar mit ihnen kommuniziert. Und am Ende wecheln sie wieder die Seite und bekämpfen mit Chris Pratt den Indominus?! Das war ein bisschen komisch. Entweder sind die Raptoren die Opportunisten des Dinosaurieruniversums, oder die vielen Drehbuchautoren, die am Drehbuch beteiligt waren, wussten am Ende schlichtweg nicht, wie man die Protagonisten aus dem Schlusschlamassel befreien soll. Wie auch immer.

Etwas negativ man auch die Handlungsfolge sehen, die zum Ausbruch von Indominus Rex führt. Es erscheint unlogisch, dass man Hinz und Kunz ins Gehege lässt, bevor man den Ortungschip konsultiert. Und als man dank des Chips herausfindet, dass er eh im Gehege ist, machen sie dann vor lauter Panik die Tür auf, naja. Das erscheint mir schon ziemlich dumm. Und wieso gibt es in Jurassic World keinen Hubschauberpiloten außer dem schwerreichen Besitzer, der offenbar sehr unerfahren und auch nicht besonders gut ist, wie es etabliert wird? Kein Wunder, dass er den Heli flugs ins Vogelhaus stürzen lässt und die wütenden Raubdinos loslässt. Wozu aber zu sagen ist, dass der Weg dahin schon sehr witzig ist. ("They don't need someone else!") Und im Endeffekt ist der Film auch sehr spannend, aber trotzdem. Geht man davon aus, dass das alles superorganisierte Vollprofis sind, die seit 20 Jahren mit Dinosauriern arbeiten, sollten solche Dinge eigentlich nicht passieren.

Der epische Schlusskampf zwischen den Dinosauriern wurde von Kritikern als "too much" und "over the top" bezeichnet, ich halte einen too much over the top CGI epic Dino-battle am Ende von Jurassic World, dem Sommerblockbuster 2015, für sehr angebracht und möchte auch sogleich empfehlen, ihn sich anzusehen. Einzig die Art und Weise, wie Claires Assistentin getötet wurde, war für meinen Geschmack "too much" und "over the top". Hat sie es wirklich verdient, auf so sadistische Art und Weise zu sterben? Sie hat ja nichts verbrochen. Ich meine, ja, sie hat die Kinder aus den Augen verloren, und hatte kein großes Interesse daran, Babysitter zu spielen, aber die Arme hat sicher ein sauteures Wirtschaftsstudium abgeschlossen, damit sie einen mies bezahlten Assistentenjob bei inGen bekommt, wo sie weit weg von zu Hause, England, in Costa Rica, umzingelt von Dinosauriern Babysitter spielen muss? Meine Güte, da wäre ich auch nicht gerade begeistert. Ihr exklusiv eine Szene zu widmen, in der sie zuerst von Flugsauriern in die Höhe gerissen, dann ins Wasser geraucht und schlussendlich vom Wasserdino gefressen wird, halte ich für sehr grenzwertig. Wieso hat man bei Vincent D'Onofrio nur gesehen, wie der Raptor in die Hand beisst und dann nichts mehr außer ein paar Blutspritzern an der Wand, wahrscheinlich wegen der Altersfreigabe. Hier sieht man es also, sadistisches Foltern ist ok, schnell zerfetzt werden zeigen wir bitte nicht.

Nichts desto trotz: Empfehlung, Empfehlung, Empfehlung und 658 von 712 möglichen Punkten! Viel Spaß!